Sternebewertungen im Bildungskatalog? Drei Einwände

29. Januar 2020 - Alle Kategorien, LMS

Autor: Expertenteam-LuB-Mitglied Dr. Lorenz Hucke, Gothaer Finanzholding AG 

Sternebewertungen gehören heute bei digitalen Angeboten zum Standard. Seien es Online-Shops, Buchungsportale oder Lernkataloge – in der Regel können Kunden im Internet sofort erkennen wie gut oder schlecht ein Angebot von anderen Kunden bewertet wird.

Funktioniert das, was alle aus dem Internet kennen auch im betrieblichen Weiterbildungskontext? Sollten im unternehmensinternen Bildungskatalog Seminare und Lernmedien nicht nur inhaltlich, sondern auch anhand der Bewertung durch Kolleginnen und Kollegen auswählbar sein?

Was auf den ersten Blick logisch und sinnvoll erscheint, zumal in der Regel sowieso Seminarfeedback eingeholt wird, birgt auf den zweiten Blick einige Stolpersteine.

Seminarfeedback und die Anzeige von Bewertungen im Katalog haben unterschiedliche Zielsetzungen. Beim Feedback geht es darum, dass Teilnehmende der Veranstaltungsorganisation und den Referentinnen bzw. Referenten konstruktive Rückmeldung geben, um die Bildungsmaßnahme weiterzuentwickeln. Bei der Sternebewertung geht es darum, Bildungshungrige im Katalog bei der Auswahl geeigneter Lernangebote zu unterstützen.

Üblicherweise werden die Teilnehmenden jedoch nur einmal befragt. Das Feedback wird dann anhand der Sterneskala auch als Bewertung im Katalog angezeigt. Diese gängige Doppelverwendung von Kundenfeedback stößt im Kontext betrieblicher Weiterbildung allerdings an gewisse Grenzen. Dies wird unter anderem in Diskussionen mit Betriebsräten deutlich, z. B. bei der Ausgestaltung geeigneter Betriebsvereinbarungen.

1. Indirekt werden Personen bewertet

In der Regel werden im Bildungskatalog zu jedem Angebot auch Ansprechpartner/innen genannt, die für inhaltliche oder organisatorische Fragen zur Verfügung stehen. Manchmal werden auch die Trainer oder Referenten genannt.

Hat ein Angebot eine Sternebewertung, lässt sich nicht verhindern, dass diese mit genannten Verantwortlichen in Verbindung gebracht wird – selbst dann, wenn dies nicht beabsichtigt ist oder die betreffenden Personen im Rahmen des durch die Teilnehmenden abgegebenen Feedbacks gar nicht gemeint waren.

Dies mag egal sein, wenn alle Angebote 5 Sterne haben. Aber was, wenn dies nicht so ist? Warum wird das Angebot von Hr. Müller aus dem Einkauf schlechter bewertet als das von Fr. Meier aus dem Vertrieb? Arbeitet Hr. Müller schlechter?

Man bewegt man sich hier aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht also im Bereich der elektronischen Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Um die Diskussion, unter welchen Bedingungen Sternebewertungen angezeigt werden dürfen, kommt man darum spätestens im Austausch mit Betriebsräten nicht herum. Beispiele:

  • Bewertung nur bei externen oder auch bei internen Referenten anzeigen?
  • Bewertung nur bei Führungskräften anzeigen oder auch wenn nichtleitende Beschäftigte genannt sind?
  • Bewertung nur ab 4 Sternen oder auch bei 1 Stern anzeigen?
  • Bewertung nur bei eLearning-Angeboten oder auch bei Seminaren mit „echten“ Referenten anzeigen? Bei eLearning-Angeboten auch, wenn Personen im Video zu sehen ist?
  • Bewertung immer anzeigen oder nur wenn die betroffenen Personen zustimmen?


Möglicherweise wird diese Diskussion dazu führen, dass nicht für alle Bildungsangebote im Katalog eine Bewertung angezeigt werden kann.

2. Lernangebote verändern sich

Inhalte und organisatorische Rahmenbedingungen von Seminaren ändern sich. Auch Tagungsstätten, Referenten und Teilnehmerzusammensetzungen ändern sich, in der Regel sogar von Termin zu Termin. Das ist auch gewünscht, denn Ziel von Seminarfeedback ist es ja, das Bildungsangebot immer besser an die Bedürfnisse der Teilnehmenden sowie des Unternehmens anzupassen. Gerade in agilen Zeiten ist es kaum im Interesse von Unternehmen, Seminare anzubieten, du über Jahre unverändert stattfinden.

Zudem finden regelmäßig angebotene Seminare nur einige Male im Jahr statt. Auf wie viele Sternebewertungen kann man da kommen? Welche Bedeutung haben Sternebewertungen von sagen wir insgesamt 30 Teilnehmenden, wenn jeweils ein Drittel davon ein ganz anderes Seminar erlebt hat (an einem anderen Ort, mit anderen Teilnehmenden, mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten)? Und darf man Bewertungen, die länger als ein Jahr zurückliegen, überhaupt berücksichtigen?

Eher als bei Präsenzangeboten wird man bei eLearning-Angeboten, die über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen, auf hohe Bewertungszahlen und eine gewisse Aussagekraft einer Sternebewertung kommen können. Aber auch digitale Lerninhalte werden aktualisiert. Und auch für eLearning-Angebote gilt meist Einwand 3:

3. Es gibt keine Wahlmöglichkeit

Viele Schulungsangebote in einem unternehmensinternen Bildungskatalog basieren auf aktuellen Fachinhalten – z. B. gesetzlichen Änderungen oder neuen Produkten – und finden nur wenige Male und nur in einem begrenzten Zeitraum statt. Auch gibt es oftmals gar keine Alternative, denn die wenigsten Unternehmen können zu einem Inhalt verschiedene Seminarvarianten oder Lernformate anbieten.

Ein unternehmensinterner Bildungskatalog hat darum nicht den Charakter eines Online-Shops, in dem man ein Produkt in verschiedenen Ausführungen, von verschiedenen Herstellern und mit verschiedenen Preisen anhand der Kundenbewertungen vergleicht und sich dann für eines entscheidet. Auch bei Hotels lässt sich das Reiseziel vielleicht noch anpassen, wenn sich am Wunschort nur noch schlecht bewertete Unterkünfte finden. Will oder muss man sich aber zu neuen Entwicklungen im Bereich der Cyberversicherung fortbilden, wird man nicht aufgrund einer mäßigen Sternebewertung des betreffenden Seminars doch lieber ein Lernmedium zur Krankenversicherung buchen.

Insofern suggeriert eine Sternebewertung im Katalog eine Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Bildungsangeboten, die es in der betrieblichen Realität oft nicht gibt.

Fazit

Es gibt also gute Gründe, auf eine Sternebewertung im unternehmensinternen Bildungskatalog zu verzichten. Besser scheint, den Schwerpunkt auf zeitnahes elektronisches Feedback durch die Teilnehmenden direkt an die Veranstaltungsorganisation und die Trainer/innen zu legen.

Aber auch wenn man die Einwände nicht gelten lässt: Bedenken sollte man die angeführten Aspekte bei der Implementierung eines elektronischen Feedbackverfahrens in jedem Fall.

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